Selbstdisziplin

Dieser Blogbeitrag ist ein bisschen länger als üblich. Entweder ist das Thema nicht so einfach abzuhandeln oder ich war nicht selbstdiszipliniert genug.

Mit der Selbstdisziplin ist das so eine Sache. Gedanken, die wohl jeder von uns kennt: Ich habe diese Woche schon wieder keinen Sport gemacht! Ich wollte doch gestern Abend mal auf Wein und Schokolade verzichten! Ich müsste heute eigentlich noch mindestens 5 Kunden anrufen! Da ist so viel Unkraut in meinem Garten, da habe ich schon gar keine Lust, anzufangen! Diese Aufzählung ließe sich unendlich fortführen.

Wir möchten, im privaten wie beruflichen Kontext, mit Zielstrebigkeit, Konsequenz und Durchhaltevermögen ans Ziel kommen. Und es klappt wieder nicht. Mit Bewunderung schauen wir dann auf Menschen, die scheinbar immer und vollkommen mühelos alles erreichen, was sie sich vorgenommen haben. Man wäre gern genauso, ist man aber nicht. 

 

Marshmallows und Selbstdisziplin

Der US-amerikanische Psychologe Walter Mischel führe Ende der 60er Jahre ein Experiment mit Kindern im Vorschulalter durch. Den Kindern wurde ein Teller mit einem Marshmallow vor die Nase gesetzt. Der Versuchsleiter erklärte dem Kind, dass es dieses Marshmallow selbstverständlich essen könne, aber wenn es die Geduld aufbrächte, mit dem Verspeisen zu warten, bis er wiederkäme, dann würde es stattdessen 2 Marshmallows bekommen. Die meisten konnten der Versuchung nicht widerstehen. Die Zeit, bis sich viele der Kinder genüsslich über das Marshmallow hermachten, betrug zwischen 6 und 10 Minuten. Das ist ein überaus normales und verständliches Verhalten. Der Psychologe beobachtete jedoch in einer 10 Jahre späteren Analyse, dass die Kinder, die länger durchgehalten hatten, als Jugendliche deutlich besser im sozialen und schulischen Bereich abschnitten. Dieses Experiment diente daher lange Zeit als Beispiel dafür, dass Selbstdisziplin entweder angeboren ist oder im kindlichen Alter anerzogen werden kann und dass mit der kindlichen Fähigkeit zum Belohnungsaufschub die spätere Fähigkeit zu einer besseren Selbstdisziplin bewiesen sei. 

Das ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Ja, es gibt Menschen, denen es leicht(er) fällt, das bedeutet aber nicht, dass alle anderen dem „Verlangen des Fleisches“ oder dem „inneren Schweinehund“ hilflos ausgeliefert sind. Das Thema Selbstdisziplin ist durchaus vielschichtiger.

 

Eiserne Disziplin vs. Gesunde Selbstdisziplin

Nachgewiesenermaßen gilt, wer über eine gute Selbstdisziplin verfügt und konzentriert auf seine Ziele hinarbeitet, ist erfolgreicher. Aber wer mit eiserner Disziplin durch das Leben geht, nimmt weder Rücksicht auf spontanes Verlangen und Sehnsüchte, noch auf die eigenen Ressourcen. Das bleibt nicht ohne Folgen. So kann dies zu einer Überlastung / Überforderung führen, indem man die eigenen physischen und psychischen Grenzen ignoriert.  Wenn man permanent Dinge tut, die dem eigenen Verständnis, der eigenen Persönlichkeit komplett entgegenstehen, dann macht das auf Dauer unzufrieden. Und außerdem erkennen diese Menschen oft sehr spät, was sie alles im Leben verpasst haben.

Es geht also um das gesunde Maß an Selbstdisziplin. Arbeitet man im Einklang mit den eigenen Ressourcen, Grenzen und der eigenen Persönlichkeit am Durchhaltevermögen, wird ein passender Schuh daraus. Dabei sind 3 Grundsätze überaus hilfreich:

 

Die richtigen Beweggründe

Hier sind vor allem Aspekte wie Sinnhaftigkeit, Interesse, Begeisterung oder ein Ziel vor den Augen entscheidend. Was sind die wahren Beweggründe, etwas zu tun oder zu lassen und wie stehen diese im Einklang zu meiner Persönlichkeit. Eine „Bestrafung“ für selbstgefühlte Versäumnisse der Vergangenheit ist keine gute Motivation.


Der intelligente Energieeinsatz

Man hat weder unendlich viel Energie, noch eine unbegrenzte Willenskraft und wenn der Akku leer ist, ist er leer. Dann gewinnen ganz schnell die alten Verhaltensmuster wieder die Oberhand. Auch hier gilt, auf sich selbst zu achten, sich nicht zu vergleichen, sein eigenes Maß finden.

 

Der Weg der kleinen (erreichbaren) Schritte

Alles auf einmal und sofort funktioniert in der Regel selten bis nie. Viel schöner ist es, Ziele zu erreichen, Gewohnheiten auszubilden und Erfolge zu feiern. Verhaltensmuster sind z.T. über viele Jahre entstanden, d.h. diese zu verändern bzw. neue auszuprägen wird auch Zeit in Anspruch nehmen.

 

Selbstdisziplin trainieren 

Unser Gehirn besitzt die Fähigkeit, neue Verhaltensmuster zu erlernen. Dabei spielt das Alter keine Rolle. Chris Bloom (Systemischer Therapeut, Autor, Podcaster und Speaker) fasst das in 30 Sekunden wie folgt zusammen: 

  • Unter Verhaltensmustern versteht man eine immer gleiche Abfolge von bestimmten Verhaltensweisen. Als Synonym wird deshalb das Wort „Verhaltenskette“ benutzt.
  • Verhaltensmuster sind an sogenannte Auslösebedingungen geknüpft – das können beispielsweise bestimmte Orte, Zeitpunkte, Emotionen oder Menschen sein.
  • Erkenne deine Verhaltensmuster in vier Schritten: 1. Verhalten beschreiben 2. Grundüberzeugung herausfinden 3. Auslösebedingung identifizieren 4. Verhaltenskonsequenzen analysieren.
  • Um Verhalten zu verändern, ist es wichtig, deine nächsten Bezugspersonen in deinen Plan miteinzubeziehen. Dies erleichtert, nicht in alte Verhaltensmuster zurückzufallen.

 

Man muss seine Verhaltensmuster kennen, um sie zu verändern und mehr Selbstkontrolle zu entwickeln. Unter Selbstkontrolle versteht man in der Psychologie die Fähigkeit, Belohnung aufzuschieben (siehe Marshmallow-Effekt). Das bedeutet, dass man kurzfristig mit einem gewissen Kraftaufwand gegen seine Gewohnheiten vorgeht, man spricht hier gern vom Durchhaltevermögen, langfristig jedoch hilfreichere Verhaltensmuster etabliert. Hilfreicher ist ein gutes Stichwort. Alte Verhaltensmuster sind nicht per-se schlecht. Im Gegenteil, einige sind mit Sicherheit sehr nützlich. Einer Veränderung bedürfen nur die Muster, die behindern, einschränken, auslaugen, stören, nicht (mehr) zur Zielerreichung taugen, an denen man arbeiten möchte. 

Ohne Training geht es nicht, Kleinkinder wiederholen eine Sache auch immer und immer wieder, solange, bis sie diese können. Trainieren heißt wiederholen, bis das neue Verhaltensmuster zur Gewohnheit geworden ist. 

Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist es, sich Verbündete zu suchen. Das dürfen auch gern Menschen sein, die einem nicht immer nach dem Mund reden. Im Idealfall taugt der Verbündete als gutes Vorbild bei ebenjener Gewohnheit, an der man selbst arbeiten möchte. 

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